Friedemann Schulz von Thun: Vier-Ohren Modell
Beschäftigst du dich mit dem Thema Kommunikation und Kommunikationsmodelle, dann wirst du mit Sicherheit dem Vier-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun begegnen. Er geht in seinem Modell davon aus, dass eine Nachricht immer vier Botschaften enthält.
Hinweis
Manchmal wird das Vier-Ohren-Modell auch Vier-Seiten-Modell genannt.
Was es mit dem Vier-Ohren-Modell auf sich hat, erkläre ich dir im Folgenden kurz:
Die vier Seiten einer Nachricht
Das Vier-Ohren-Modell basiert auf der Annahme, dass jede Äußerung stets vier Botschaften enthält. Somit kann natürlich auch jede Äußerung auf vier unterschiedliche Weisen verstanden werden. Ob derjenige, der die Äußerung getätigt hat, alle diese Botschaften bedacht hat oder nicht, spielt keine Rolle, denn sie fließen auch unterbewusst mit ein.
Merke
- Sachinhalt
- Appell
- Selbstoffenbarung
- Beziehung
Die vier Seiten einer Nachricht werde ich dir im Folgenden kurz erklären und dann an einem Beispiel verdeutlichen:
Der Sachinhalt
Mit dem Sachinhalt ist schlichtweg das gemeint, worüber in der Äußerung informiert wird. Es geht um die reine Information über Fakten und Daten, die in der Nachricht enthalten sind. Der Empfänger der Äußerung muss hier keine Deutung o.Ä. vornehmen, sondern lediglich entscheiden, ob der Sachinhalt wahr bzw. unwahr, relevant bzw. irrelevant ist.
Der Appell
In einer Nachricht klingt meist in irgendeiner Form ein Appell mit. Die Seite des Appells drückt daher aus, wozu der Sender jemanden veranlassen möchte. Selten sagt man etwas einfach so. Meist übt die Äußerung in irgendeiner Weise Einfluss auf den Empfänger aus, indem dieser dazu gebracht wird, etwas Bestimmtes zu tun, zu denken oder zu fühlen. Letztlich sind daher Wünsche, Ratschläge, Anweisungen usw. besonders auf der Appellebene anzusiedeln.
Die Selbstoffenbarung
Mit jeder getätigten Äußerung gibt der Sender etwas von sich selbst preis, wie beispielsweise seine Gefühle, Bedürfnisse, Ansichten oder Werte. Diese Selbstoffenbarung kann zum einen gewollt sein, manchmal aber auch unterbewusst zum Ausdruck kommen, ohne dass der Sender der Äußerung sich dessen bewusst sein muss.
Die Beziehung
Eine Äußerung enthält neben dem Sachinhalt, dem Appell und der Selbstoffenbarung stets auch Informationen über die Beziehung des Senders zum Empfänger. Es wird also immer deutlich, wie der Sender zu dem Empfänger steht und was er über diesen denkt. Dies kann in seinen Formulierungen oder seiner Mimik und Gestik deutlich werden. Gerade diese Ebene wird meist unterbewusst mittransportiert. Hört jemand eine Äußerung verstärkt auf dem Beziehungsohr, kann er sich zum Beispiel wertgeschätzt, respektiert, aber auch verachtet und kritisiert fühlen.
Zu den berühmten Missverständnissen kommt es meist dann, wenn die vier Seiten einer Nachricht fehlinterpretiert werden oder eine Seite höher gewichtet wird als die andere. Dann wirst du oft den Satz hören: „Das war doch so garnicht gemeint!".
Das Vier-Ohren-Modell an einem Beispiel
Es gibt zahlreiche Beispiele, an denen das Vier-Ohren-Modell angewendet werden kann. Ich habe mir mal eines für dich ausgedacht:
Die Familie sitzt beim Abendessen und die Mutter hat das gemeinsame Lieblingsessen gekocht. Der Vater fragt:
Beispiel
„Hast du ein anderes Rezept ausprobiert?"
Bei der Äußerung handelt es sich um eine Frage, die wir mit den vier Seiten interpretieren können:
Methode
Sachinhalt: Der Vater sagt, dass das Essen anders schmeckt als sonst.
Appell: Der Vater möchte, dass seine Frau immer das alte bzw. das neue Rezept kocht.
Selbstoffenbarung: Erstens ist der Vater sehr aufmerksam, weil er die Veränderung bemerkt. Zweitens gibt er zu, dass ihm das Essen schmeckt oder eben nicht schmeckt (um das herauszufinden müssten wir Tonfall, Gestik, Mimik usw. analysieren)
Beziehung: Die Beziehung von Vater und Mutter befindet sich auf einer Ebene, in der der Vater durchaus aussprechen kann, dass ihm etwas an dem Essen auffällt.
Dir fallen sicher noch viele weitere Beispiele wie dieses ein.