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Wirkung und Funktion (l'effet et la fonction du texte dramatique)

theoretische Grundlagen (savoir théorique)

L'effet et la fonction du texte dramatique

Schon Aristoteles maß dem Theater und der dramatischen Literatur einen großen Wert bei. Seiner Ansicht nach brachte es edle oder aber schlechte Charakterzüge der Menschen auf die Bühne. Sie sollten einen Vorbild für das Verhalten in der Realität sein. Speziell die Tragödie erziele, so Aristoteles, einen noch tiefer gehenden psychologischen Effekt beim Publikum.

Im Folgenden werden einige der Funktionen und Wirkungsweisen klassizistischer Werke erläutert.

La catharsis

In dem die Zuschauer die tragische Protagonistin/ den tragischen Protagonisten bemitleiden und von ihrem/seinem Schicksal erschüttern werden, durchlaufen sie während der Aufführung oder der Lektüre einen Prozess, den man "Jammer und Schauder" (gr. eleos und phobos, fr. pitié et crainte) nennt. Das Publikum/ Die Leser werden emotional in das Stück einbezogen. Ihr Einbinden wirkt laut Aristoteles läuternd (reinigend): Sie durchlaufen einen Prozess der Reinigung (catharsis) von ihren Affekten, d.h. die angestaute emotionale Erregung wird abgeführt (Affektenabfuhr) und das Publikum kann das Theater innerlich gelöster verlassen und der Leser das Stück beenden.

Merke

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"Die Tragödie ist Nachahmung einer guten und in sich geschlossenen Handlung von bestimmer Größe, in anziehend geformter Sprache [...] Nachahmung von Handelnden und nicht nur durch Bericht, die Jammer und Schauder hervorruft und hierdurch eine Reinigung von derartigen Erregungszuständen bewirkt." (Aristoteles)

Aristoteles: Poetik, griechisch/deutsch. Übersetzt und herausgegeben von Manfred Fuhrmann. Bibliografisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994, Kap. 6, S. 24ff.

L'anagnorèse

Neben dem Schicksalsumschwung (la péripetie) ist die Anagnorisis ein Grundelement der Tragödie. Vorausgeht meist ein Irrtum, durch den dem Helden die Wahrheit über andere Figuren, Zustände oder über sich selbst noch nicht bekannt ist. Erst die plötzliche Erkenntnis der wahren Situation oder Identität führt die Katastrophe herbei oder kann sie gerade noch abwenden. Molière verwendet das Motiv der Wiedererkennung in einigen seiner Komödien bspw. in L'Avare.

L'harmartia

Das Motiv des Irrtums ist im einfachen Verständnis ein Fehler, der vom Helden begangen wird und der die Umkehrung von Glück in Unglück oder Unglück in Glück initiiert.

La mimèsis

Zweck der Nachahmung (la mimèsis) in einer Tragödie ist die Erreichung der Katharsis beim Zuschauer. Diese soll nicht durch Effekte (Inszenierung und Musik), sondern vorzugsweise mittels des Handlungsaufbaus erfolgen, nämlich durch die Erregung von "Jammern und Schaudern".

Deus ex machina

Unlösbare Verwicklungen können kurz vor der Katastrophe durch das Auftauchen einer Gottheit gelöst werden. Im Allgemeinen bezeichnet der Ausdruck jede plötzliche und unabsehbare Lösung des Konfliktes durch eine außenstehende Figur. Als Beispiel kann hier wieder Molières Tartuffe angeführt werden.

Des classicismes au pluriel

Plaire, toucher et instruire 

Das französische Drama der Hochklassik war im Idealfall dadruch gekennzeichnet, dass die Figuren psychologisch so ausgestaltet waren, dass sie dem Publikum gefielen und es gleichzeitig belehrten. (plaire et instruire).

Der Begriff geht auf Horaz zurück, der in seiner "Ars Poetica" über das klassische römische Theater schrieb. Die Formel plaire et instruire ist eine der Grundprinzipien in der Poetik der französischen Klassik (17. Jahrhundert) und definiert den Anspruch an die Wirkung oder Funktion eines literarischen Werks. Die Werke der Klassik sollten demnach sowohl der Unterhaltung (plaire, d.h. gefallen oder auch divertir, d.h. unterhalten) als auch der Bildung (instruire oder enseigner, d.h. unterrichten) des Publikums dienen.

Außerdem kann man das Prinzip des plaire et instruire als eine Teilmenge der drei grundlegenden Wirkungsweisen der Literatur verstehen, die in der antiken Rhetorik unterschieden werden: docere (belehren), delectare (erfreuen) und movere (bewegen, rühren), die auch in Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert wichtig sind (frz.: instruire, divertir, toucher).