Kernspaltung
Wir gehen hier zunächst auf die in unserer Welt bereits technisch realisierte Möglichkeit der Kernspaltung ein, wie man sie üblicherweise z.B. in Kernreaktoren vorfindet.
Erste künstliche Kernspaltung
Ein Beispiel für eine Kernspaltung wurde in einer historisch aufsehenerregenden Entdeckung von Otto Hahn und Fritz Straßmann im Jahr 1938 gemacht. Dabei benutzten sie das Urannuklid U-235.
Beschießt man U-235 mit (langsamen) Neutronen, so wird der Urankern in zwei leichtere (mittelgroße) Kerne gespalten. Dabei werden zusätzliche Neutronen frei. Im Prinzip sind verschiedene Reaktionen und damit Spaltkerne möglich.
Beispiel
Ein Beispiel für eine Spaltungsreaktion von U-235 lautet
$^{235}_{92} U + ^1_0 n \rightarrow ^{141}_{56} Ba + ^{92}_{36} Kr + 3\cdot ^1_0 n$
Berechnung des Energiebetrags $\Delta E$
Laut unserer Besprechung müsste nun ein bestimmter Energiebetrag $\Delta E$ freigesetzt werden. Wir wollen nun auch im Hinblick auf Abituraufgaben zeigen, wie man rechnerisch vorgeht.
Methode
Wir gehen von der obigen Spaltreaktion aus und errechnen die Energiebilanz $\Delta E$ der Reaktion.
$\Delta E=(E(U)+E(n))-(E(Ba)+E(Kr)+3\cdot E(n))$
Zur einfacheren Darstellung wurden die Nuklidangaben $A$ und $Z$ weggelassen.
Methode 1 (Berechnung aus Kernmassen):
Aus der Relativitätstheorie wissen wir, dass sich die Energie $E$ aus einer Masse $m$ ergibt ($E=mc^2$). Die Energien der beteiligten Kerne folgen gerade aus den Kernmassen $m_K$. Also:
$\Delta E=(m_K(U)+m_n)\cdot c^2-(m_K(Ba)+m_K(Kr)+3\cdot m_n)\cdot c^2$
$=\underbrace{((m_K(U)+m_n)-(m_K(Ba)+m_K(Kr)+3\cdot m_n))}_{Massendifferenz}\cdot c^2$
Man muss hier also lediglich die Kernmassen kennen und aus diesen die Massendifferenz berechnen, um dann durch Multiplikation mit $c^2$ zur Energie $\Delta E$ zu gelangen.
Methode 2 (Berechnung aus Kernbindungsenergien):
Was passiert nun, wenn statt den Kernmassen die Bindungsenergien $E_B$ der Kerne gegeben sein sollten?
Dann nutzen wir unsere Kenntnisse über den Massendefekt $\Delta m$ aus. Danach ist die Kernmasse $m_K$
$m_K=(Z\cdot m_p+N\cdot m_n)-\Delta m$
Aus der Beziehung $E_B=\Delta m\cdot c^2$ folgt ja $\Delta m=\frac{E_B}{c^2}$ und dann
$m_K=(Z\cdot m_p+N\cdot m_n)-\frac{E_B}{c^2}$
Wir setzen nun diesen Ausdruck in die obige Massendifferenz-/bilanz ein und beachten folgende Tatsache
- Die Zahl der beteiligten Protonen und Neutronen ist auf beiden Seiten gleich!
Damit heben sich alle Protonen und Neutronen in der Differenz auf. Und übrig bleiben lediglich die Kernbindungsenergien der beteiligten Kerne
$\Delta E=(-E_B(U))-(-E_B(Ba)-E_B(Kr))$
$=(E_B(Ba)+E_B(Kr))-E_B(U)$
Die in der Kernspaltung gewonnene Energie ist gerade die Differenz der Bindungsenergien der beteiligten Kerne.
Kettenreaktion
Zur Spaltung des Urankerns haben wir ein Neutron eingesetzt. Aus der Reaktion gehen aber zwei oder sogar drei Neutronen hervor. Logischerweise können diese neu entstandenen Neutronen weitere Kernspaltungen auslösen, wodurch es zu einer Kettenreaktion kommt.
Merke
Aufgrund der Vermehrung der Neutronen bei der Spaltung von z. B. Uran-235 kann es zu einer Kettenreaktion von Kernspaltungen kommen.
Fallunterscheidungen
Es gibt im Prinzip drei unterscheidbare Fälle. Die Vermehrung der Neutronen im spaltbaren Material ist dabei das Kriterium der Unterscheidung. Quantitativ lässt sich das mit dem Neutronen-Vermehrungsfaktor $k$ beschreiben.
Beispiel
Wenn pro Spaltung $n$ Neutronen entstehen, so kann es sein, dass davon $x$ Neutronen aus dem Material (Uran) entweichen oder eingefangen werden. Sie stehen damit für weitere Spaltungen nicht mehr zur Verfügung. Der Vermehrungsfaktor $k$ ist damit
$k=n-x$
Diese $k$ Neutronen können weitere Spaltungen induzieren und bestimmen die Vermehrung.
Beispiel
Angenommen, dass aus 100 Kernspaltungen 230 Neutronen entstehen. 120 Neutronen werden eingefangen.
Pro Spaltung werden im Mittel 2,3 Neutronen erzeugt, wovon 1,2 nicht mehr zur Verfügung stehen.
$\Rightarrow k=2,3-1,2=1,1$
k>1:
Die Anzahl der Kernspaltungen wächst stark an. Es kommt damit zu einer explosionsartigen Energieabgabe. (Prinzip der Atombombe)
k<1:
Die Anzahl der Kernspaltungen sinkt stark ab. Die Reaktion stoppt nach einiger Zeit. (keine eigentliche Kettenreaktion)
k=1:
Die Anzahl der Kernspaltungen bleibt konstant. Die Energieabgabe läuft gesteuert ab. Man spricht auch von kontrollierter Kettenreaktion. (Prinzip des Kernreaktors)
Bemerkungen zum Kernreaktor (in Kernkraftwerken)
Für die technische Realisierung einer kontrollierten Kettenreaktion (k=1) und damit des Kernreaktors sind folgende Bedingungen notwendig.
- Regulierung der Geschwindigkeit der Neutronen: Die emittierten Neutronen müssen abgebremst werden, damit es mit einer größeren Wahrscheinlichkeit zu einer Kernspaltung kommt. Dies geschieht mit Hilfe eines Materials (Moderators), das aus leichten Kernen besteht. (z.B. Wasser, Paraffin)
- Regulierung der Anzahl der Neutronen: Ein Teil der emittierten Neutronen muss durch Materialien absorbiert werden, damit k=1 bleibt. Das Material (z. B. Bor) befindet sich in Regelstäben, die kontrolliert in den Reaktor eingefahren werden können.
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