Relativistische Massenformel
Der Versuch von Bucherer & Co. zeigt, dass die Masse $m$ eines Körpers als Funktion (sogar monoton wachsende Funktion) des Betrags der Geschwindigkeit $\vec{v}$ aufzufassen ist.
Im obigen Diagramm sieht man die Messergebnisse, die als farbige Punkte markiert wurden. Die schwarze durchgezogene Kurve entspricht der von Einstein vorhergesagten Geschwindigkeitsabhängigkeit.
Herleitung
Schreiben wir also $m=m(|\vec{v}|)$, was eine wesentliche Voraussetzung bei der nun folgenden Herleitung ist.
Diese Erkenntnis sowie die Formel für den Impuls schreiben wir als Voraussetzungen nieder:
- Masse ist geschwindigkeitsabhängig: $m=m(|\vec{v}|)=m(v)$
- Impuls ist (wie üblich) gleich Masse mal Geschwindigkeit; nun aber lautet die Formel wegen der 1. Voraussetzung: $\vec{p}=m(v)\cdot\vec{v}$
Betrachten wir den unelastischen Stoß zweier gleichartiger Teilchen in zwei unterschiedlichen Inertialsystemen. Dabei bedeutet unelastisch, dass die Teilchen nach dem Stoß verkleben und sich als eine Masse weiterbewegen. Zur Darstellung der Situation wählt man sinnvollerweise das Schwerpunktsystem und das Laborsystem. Die beiden Inertialsysteme kann man wie folgt so beschreiben:
Schwerpunktsystem: Die Summe der Impulse der beiden Teilchen ist gleich Null. Dies ist äquivalent zu der Aussage ist, dass man ein Bezugssystem betrachtet, in dem der Schwerpunkt ruht.
Laborsystem: Ein Teilchen ruht und das andere bewegt sich auf das ruhende Teilchen zu.
Stellen wir zunächst die Situation im Laborsystem, das wir als Inertialsystem $S$ kennzeichnen, mittels einer Tabelle dar.
vor dem Stoß in $S$ | Geschwindigkeit | Masse |
Stoßpartner 1 | $u_1=u$ | $m(u)$ |
Stoßpartner 2 | $u_2=0$ | $m_0$ |
nach dem Stoß in $S$ | Geschwindigkeit | Masse |
verklebtes Teilchen | $u_3=v$ | $M(v)$ |
Aufgrund der Erhaltung der Masse und der Impulserhaltung müssen die Massen und die Impulse vor dem Stoß mit denen nach dem Stoß übereinstimmen. Es gilt im Laborsystem $S$
$m(u)+m_0=M(v)$ (Massenerhaltung)
$m(u)u+0=M(v)v$ (Impulserhaltung)
Durch eine einfache algebraische Umformung kann man nach $m(u)$ auflösen.
$\Rightarrow m(u)u=(m(u)+m_0)v$
$\Rightarrow m(u)=\frac{m_0}{\frac{u}{v}-1}$ (1. Resultat für die Massenformel)
Wir betrachten nun das Inertialsystem $S^{'}$, das sich mit der konstanten Geschwindigkeit $v$ des verklebten Teilchens (in positive $x$-Richtung) relativ zum Laborsystem $S$ bewegt. Durch das relativistische Additionstheorem für Geschwindigkeiten, das wir in der relativistischen Kinematik kennengelernt haben, können wir sämtliche Geschwindigkeiten der Teilchen in $S^{'}$ berechnen.
Die dafür notwendige Formel lautet
$u^{'}=\frac{u-v}{1-\frac{uv}{c^2}}$.
Folglich erhält man der Reihe nach folgende Resultate für die Geschwindigkeiten:
$u_1^{'}=\frac{u-v}{1-\frac{uv}{c^2}}$
$u_2^{'}=\frac{0-v}{1-\frac{0v}{c^2}}=-v$
$u_3^{'}=\frac{v-v}{1-\frac{v^2}{c^2}}=0$
Die Situation in $S^{'}$ stellen wir auch in Form einer Tabelle dar.
vor dem Stoß in $S^{'}$ | Geschwindigkeit | Masse |
Stoßpartner 1 | $u_1^{'}=\frac{u-v}{1-\frac{uv}{c^2}}$ | $m(u_1^{'})$ |
Stoßpartner 2 | $u_2^{'}=-v$ | $m(v)$ |
nach dem Stoß in $S^{'}$ | Geschwindigkeit | Masse |
verklebtes Teilchen | $u_3^{'}=0$ | $M_0$ |
Auch in $S^{'}$ gelten die entsprechenden Erhaltungssätze und man kann daher folgendes schreiben:
$m(u_1^{'})+m(v)=M_0$ (Massenerhaltung)
$m(u_1^{'})u_1^{'}+m(v)(-v)=M_0\cdot 0=0$ (Impulserhaltung)
Wir erkennen, dass die Summe der Impulse in $S^{'}$ gleich Null ist. Es handelt sich also bei $S^{'}$ um das Schwerpunktssystem. Die beiden aufgeführten Gleichungen für $S^{'}$ werden insbesondere dann erfüllt, wenn
$u_1^{'}=v$
gilt.
Wir nutzen nun die Umkehrformel für Geschwindigkeiten (siehe Abschnitt Relativistische Geschwindigkeitsaddition), wonach gilt
$u=\frac{u_1^{'}+v}{1+\frac{u_1^{'}v}{c^2}}$.
Setzen wir das soeben erhaltene Ergebnis $u_1^{'}=v$ in diese Gleichung ein, so folgt ein Zusammenhang zwischen den Geschwindigkeiten $u$ und $v$.
$\Rightarrow u=\frac{2v}{1+(\frac{v}{c})^2}$
Merke
Zwischenergebnisse
Zwei wesentliche Formeln für die weitere Herleitung sollte man besonders hervorheben. Die erste Formel wurde oben als 1. Resultat für eine mögliche Massenformel bezeichnet
$m(u)=\frac{m_0}{\frac{u}{v}-1}$. (1)
Die zweite Formel betrifft den Zusammenhang zwischen den Geschwindigkeiten $u$ und $v$
$u=\frac{2v}{1+(\frac{v}{c})^2}$. (2)
Mit Hilfe der Gleichung (2) können wir $m(u)$ allein durch die Geschwindigkeit $u$ ausdrücken. Die Umformung von Gleichung (2) liefert
$\frac{u}{v}(1+(\frac{v}{c})^2)=2 \quad \Rightarrow \quad (\frac{u}{v})^2(1+(\frac{v}{c})^2)=2\frac{u}{v}$
$\Rightarrow (\frac{u}{v})^2+(\frac{u}{c})^2=2\frac{u}{v}$
$\Rightarrow (\frac{u}{v})^2-2\frac{u}{v}+(\frac{u}{c})^2=(\frac{u}{v}-1)^2-1+(\frac{u}{c})^2=0$
Die Lösung der quadratischen Gleichung unter Berücksichtigung der Tatsache, dass
wegen der Gleichung (2) $\frac{u}{v}>1$ gilt, führt zur positiven Lösung
$\frac{u}{v}-1=+\sqrt{1-(\frac{u}{c})^2}$.
Eingesetzt in die Gleichung (1) erhalten wir die gesuchte Massenformel
$m(u)=\frac{m_0}{\sqrt{1-(\frac{u}{c})^2}}$.
Merke
Massenformel
Die Relativitätstheorie impliziert, dass die Masse geschwindigkeitsabhängig ist. Setzt man $|\vec{u}|=u$, dann lautet die Massenformel
$m(u)=\frac{m_0}{\sqrt{1-(\frac{u}{c})^2}}$,
worin $m_0=m(0)$ die sogenannte Ruhemasse und $u$ die Geschwindigkeit des Objekts darstellen.
Die Formel ist in Übereinstimmung mit den experimentellen Ergebnissen von Bucherer & Co.
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