Drei Prinzipien der Stammbaum-Entwicklung
Homologievermutung
In der Genetik und Evolutionsbiologie wird der Begriff der Homologie auch auf solche Gene angewandt, die in unterschiedlichen Spezies ähnliche oder identische Funktionen haben und in ihrer Sequenz auf einen gemeinsamen Vorläufer zurückzuführen sind.
Außengruppenvergleich
Eine Art, die nicht ganz zu vergleichbaren Arten passt, aber ähnliche Eigenschaften zeigt, wird als Vergleichsmuster eingesetzt. Die Spinatpflanze betreibt Fotosynthese und besitzt dementsprechend alle Enzyme und zellulären Voraussetzungen, diesen Stoffwechselweg zu betreiben. Damit ist sie als Außengruppe für einen Stammbaum von Cyanobakterien geeignet, die ebenfalls Fotosynthese betreiben.
Prinzip der einfachsten Erklärung
Stammbäume können auf den unterschiedlichsten Merkmalen basieren. Neben makroskopischen (morphologischen) und mikroskopischen Merkmalen liegen ihnen heutzutage in der Regel auch genetische Merkmale (DNA/Proteinsequenzen) zugrunde. Der Vergleich mehrerer Basen- bzw. Aminosäuresequenzen führt zu einer umfangreichen Datenmenge, in der Ähnlichkeiten jedoch nur schwer zu entdecken sind. Mathematisch werden etwaige Ähnlichkeiten mithilfe von Algorithmen beschrieben. Ein simples Beispiel dafür ist folgende Abschätzung anhand eines Dendrogramms. Grundlage dafür ist die Analyse von Differenzen innerhalb festgelegter Sequenzen (Schmelztemperatur, DNA-Sequenz, Aminosäuresequenz).
Merke
Stammbäume erstellen: Homologievermutung, Außengruppenvergleich, Prinzip der einfachsten Erklärung
Bsp.: Vergleich einer kurzen DNA-Sequenz. Die Tabelle gibt die Merkmalsunterschiede zwischen den einzelnen Proben an.
| Unterschiede in den Sequenzen | |||
DNA-Sequenz Proben | A | B | C | D |
A | - | 2 | 3 | 1 |
B | 2 | - | 5 | 2 |
C | 3 | 5 | - | 3 |
D | 1 | 2 | 3 | - |
Im folgenden Schritt werden die ermittelten Unterschiede für jede Sequenz aufsummiert, woraus sich der Distanzwert ergibt.
Distanzwert | 6 | 9 | 11 | 6 |
Der Distanzwert stellt die Summe der Änderungen „A zu allen anderen; B zu allen anderen, ...“ dar.
Die Sequenzen werden nun nach diesem Distanzwert sortiert und folgendermaßen weiterbehandelt:
A und D zeigen denselben Distanzwert. Sie werden deshalb als sehr ähnlich angesehen und in einem gemeinsamen Cluster unter dem Mittelwert der Ziffer 6 zusammengefasst. Zwischen den Sequenzen B und C besteht die geringste Distanz. Ein Mittelwert von 10 wird aus den Distanzwerten von B und C errechnet. Aus den Werten 6 und 10 wird im nächsten Schritt wiederum der Durchschnitt gebildet, sodass das Gesamtcluster den Wert 8 umschließt.
Dendrogramm
Diese baumartige Darstellung einer Datenmenge wird als Dendrogramm bezeichnet. Das Dendrogramm ist in der Regel ein Aufriss, also die Seitenansicht des Stammbaumes. Hier werden alle Verzweigungen gezeigt. Jede Verzweigung in einem phylogenetischen Stammbaum repräsentiert den Vorfahren bzw. den nächsten gemeinsamen Verwandten dieser Vorfahren. Die Pfadlänge entspricht meist der geschätzten Zeit, in der sich Arten separiert haben oder der Anzahl der Mutationen, die während dieser Entwicklung aufgetreten sind. Doch Vorsicht, sie dient nur dann als “Evolutionsuhr", wenn entsprechende andere Datierungsmöglichkeiten (z.B. Fossilien mit 14C- oder Kalium-Argon-Datierung) zur Verfügung stehen. Der Knoten in einem phylogenetischen Baum wird als taxonomische Einheit bezeichnet, wobei man bei inneren Knoten oft von hypothetischen taxonomischen Einheiten spricht, wenn die entsprechenden Arten oder Einheiten nicht beobachtet werden können.
Kladogramm
Das Kladogramm ist ein Stammbaum, der auf der phylogenetischen Systematik (Kladistik) beruht. Diese Art Stammbaum zeigt die Abspaltungen besonders deutlich, z.B. durch Angabe von abgeleiteten Merkmalen. In Kladogrammen wird nie eine absolute Zeitangabe zum Abspaltungsereignis gemacht, es handelt sich um eine relative Abfolge der Abspaltungsereignisse.