Abituraufgabe
Thema: Die Entwicklung des deutschen Nationalismus
Aufgabenstellung:
Stellen Sie die Entwicklung des deutschen Nationalismus von seinen Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der Wandlung vom Elitennationalismus zum Massenphänomen dar.
Bearbeiten Sie dabei folgende Aufgaben:
- − Skizzieren Sie die Anfänge des deutschen Nationalismus.
- − Charakterisieren Sie die Entwicklung des Nationalismus bis 1849 unter Beachtung der nationalen Frage.
- − Weisen Sie nach, dass der Nationalismus im Deutschen Kaiserreich eine Massenerscheinung war.
- − Setzen Sie sich mit der Bedeutung der „Erbfeindschaft mit Frankreich“ für den Nationalismus auseinander.
Mögliche Lösung:
- Die Anfänge des deutschen Nationalismus liegen in der Fremdherrschaft Napoleons begründet. Als am 17. März 1813 Friedrich Wilhelm III. von Preußen sein Volk zum Kampf gegen Napoleons Truppen aufrief, zeigte sich in der Bevölkerung ein bislang nicht gekanntes Nationalgefühl und der Wunsch nach einem geeinten deutschen Staat erfasste immer mehr Menschen. Vor allem Studenten engagierten sich für die "teutsche Sache". Viele junge Männer traten Freiwilligenverbänden bei, um gegen Napoleon zu kämpfen, beispielsweise den „Lützower Jägern“. Die Mitglieder dieses Verbands trugen schwarze Uniformen mit goldenen Knöpfen und roten Aufschlägen, auf die die späteren deutschen Nationalfarben zurück gehen. Die Völkerschlacht bei Leipzig vom 16.-19. Oktober 1813 gilt als Entscheidungsschlacht der Befreiungskriege. Hier erreichte die Koalition aus Österreich, Preußen, dem Russischen Kaiserreich und Schweden den entscheidenden Sieg über Napoleon Bonapartes. Die europäischen Machthaber versuchten allerdings, alle einheitlichen und freiheitlichen Bestrebungen zu unterdrücken. Sie beschlossen auf dem Wiener Kongress 1815 die Rückkehr zum vornapoleonischen Zustand (Restauration) und alle Mitglieder des neu gegründeten Deutschen Bundes verpflichteten sich mit der Schlussakte von 1820 zur Einhaltung des monarchischen Prinzips. Dem liberal und national eingestellten Teil der Bevölkerung waren die Beschlüsse des Wiener Kongresses natürlich nicht recht. Sie forderten als Gegenleistung für ihre Bereitschaft, gegen Napoleon in den Kampf zu ziehen, politisches Mitspracherecht. Im Oktober 1817 fand das Wartburgfest statt. Hier versammelten sich ungefähr 500 Professoren und Studenten, um Reden zu halten und Kritik zu äußern. Im Zuge dieses Festes fand auch eine Bücherverbrennung statt, in der als „undeutsch“ geltende Schriften verbrannt wurden. Das Wartburgfest gilt als die erste Großdemonstration der deutschen Geschichte und gab den Gründungsimpuls für die Allgemeine Deutsche Burschenschaft. Nach dem Wartburgfest wurden die Teilnehmer polizeilich verfolgt und die Fürsten begannen damit, Gegenmaßnahmen zu planen. Im März 1819 ermordete der Student und Burschenschaftler Carl Ludwig Sand den Dichter August von Kotzebue. Dieser war ein politischer Berater des russischen Zaren und hatte zuvor die nationalen und liberalen Ideen der Bewegung verspottet. Das Attentat löste eine Welle der Empörung aus. Der österreichische Kanzler Clemens von Metternich nutzte die Stimmung, um die Karlsbader Beschlüsse durchzusetzen: Diese schränkten die Presse- und Meinungsfreiheit ein, Burschenschaften wurden verboten, freiheitlich gesinnten Professoren und Studenten drohte die Entlassung und ein Berufsverbot. Darüber hinaus wurde eine neue Ermittlungsbehörde eingerichtet, die zur Aufgabe hatte, die politische Szene zu beobachten.
- In den 1830er Jahren ergriff eine neue Welle der Freiheitsbewegung Europa. Der von den Abgeordneten eingesetzte „Bürgerkönig“ Louis Philippe ersetzte den zur Abdankung gezwungenen König Karl X. Auch in deutschen Gebieten wurde teilweise die Zensur gelockert und politische Versammlungen erlaubt. So konnte sich Kunst und Literatur mit freiheitlichem Gedankengut verbreiten, beispielsweise die Bücher des „jungen Deutschland“, eine Gruppe freiheitlich gesinnter Schriftsteller. Auch August Heinrich Hoffmann von Fallersleben gehörte dieser Gruppe an. Am 17. Mai 1832 kamen rund 30 000 Menschen auf dem Hambacher Fest zusammen, um zu demonstrieren. Sie forderten gesetzliche Freiheit und Nationalwürde. Es nahmen nicht nur Professoren und Studenten am Hambacher Fest teil, sondern auch Handwerker, Bauern, Kleinbürger und Frauen. Die Fürsten reagierten auf das Fest mit der Festnahme der Hauptredner, die wegen Hochverrats angeklagt und zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Im Jahr 1848 ging schließlich von Frankreich eine neue Widerstandsbewegung aus. In der Februarrevolution 1848 wurde das Bürgerkönigtum enttrohnt und somit zum dritten Mal in der Geschichte Frankreichs eine Monarchie abgeschafft. Die Revolution in Frankreich zeigte erste Merkmale einer sozialistischen Revolution. In den deutschen Kleinstaaten, in denen die Industrialisierung noch nicht voll um sich gegriffen hatte, erhoben sich die Oppositionellen hauptsächlich gegen die Ständegesellschaft. Es bildete sich eine spontane Oppositionsbewegung. Diese drängte auf die Erfüllung der sogenannten Märzforderungen. Dazu gehörte die Garantie der Grundrechte, die Pressefreiheit und die Einrichtung von Schwurgerichten und Bürgerwehren. In Heidelberg kamen schließlich 51 oppositionelle Politiker zusammen, welche die Einberufung eines "Vorparlaments" beschlossen. Dieses sollte die verfassungsgebende Nationalversammlung vorbereiten. Von diesem Tag an war der Bruch mit dem alten System unumkehrbar und die Nationalbewegung bekam eine fassbare Gestalt. In mehreren deutschen Städten kam es zu Aufständen, bei denen aber nicht, wie in Paris, die Monarchie gestürzt wurde. Aber in ihrem Zuge entwickelten sich zwei Strömungen der Aufständischen, die Liberalen und die Demokraten. Das liberale Lager wollte so schnell wie möglich die Unruhen beenden und eine Revolution um jeden Preis verhindern. Sie wollten mithilfe von Verhandlungen die Presse- und Versammlungsfreiheit und eine unabhängige Justiz unter einer konstitutionellen Monarchie durchzusetzen. Allerdings sollten die unteren Schichten der Gesellschaft weiterhin von der Politik fern gehalten werden, weswegen die Liberalen für ein Zensuswahlrecht plädierten. Im Gegensatz dazu forderten die Demokraten das allgemeine Wahlrecht. Außerdem wollten sie die Monarchie stürzen und eine Republik einführen. Am 18. Mai 1848 fand die erste deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche mit mehr als 400 Abgeordneten statt. Zusammen mit den Stellvertretern versammelten sich so rund 800 Personen. Alle gewählten Volksvertreter gehörten dem Bildungsbürgertum an, weshalb man die Versammlung auch "Professorenparlament" nannte. Die Nationalversammlung hatte die Aufgabe, eine Verfassung zu erarbeiten. Diese sollte die bürgerlichen Grundrechte sicherstellen und über die Grenzfrage, die zukünftige Staatsform und das Staatsoberhaupt entscheiden. Bezüglich der Grenzfrage entschied man sich für die kleindeutsche Lösung unter Ausschluss Österreichs. Bei der Frage nach der Staatsform konnten sich die Anhänger der konstitutionellen Monarchie durchsetzen. Es sollte einen König und ein Parlament geben und der Staat sollte als Bundesstaat organisiert sein. Das neue Staatsoberhaupt sollte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. werden. Er lehnte die Kaiserwürde aber ab, da er keine Krone vom Volk entgegennehmen wollte und einen Krieg mit Österreich und Russland befürchtete. Die Ablehnung der Kaiserwürde bedeutete für die neue Verfassung den Zusammenbruch. Mehrere Kleinstaaten erkannten die Verfassung nicht an und zogen ihre Abgeordneten ab.
Es gibt zahlreiche Umstände, die darauf schließen lassen, dass der Nationalismus im Deutschen Kaiserreich eine Massenerscheinung war. Allerdings vollzog sich ein Wandel in der Idee eines Nationalstaates. Die revolutionäre Bewegung von 1848/49 stützte sich vorwiegend auf klassisch-liberale Ideale der Französischen Revolution, während im Kaiserreich zunehmend die Idee der Einheit diejenige der Freiheit verdrängte und der Nationalismus war nicht mehr so stark demokratisch geprägt, sondern zunehmend konservativ. So gewann nach der Reichsgründung 1871 der Nationalismus an Zuwachs, obwohl zunächst die gesellschaftliche Integration zur einer neuen großen Aufgabe wurde, da sich die Menschen im Reich meistens noch stark regional identifizierten. Ein Grund dafür war das wachsende Ansehen des Militärs, welches vor allem während der Kriege 1864–1871 stark an Einfluss und Ansehen gewonnen hatte. Die preußischen Offiziere galten in der Gesellschaft zunehmend als Vorbilder und durch Feierlichkeiten, Paraden und Gedenktage zeigte das Militär auch im Alltagsleben immer mehr Präsenz. Diese Präsenz des Militärs hatte bedeutende Einflüsse auf die Gesellschaft. Es war die Etablierung einer Autoritätshörigkeit zu beobachten, die von Selbstüberschätzung und der ideellen Abwertung Anderer begleitet war. Es bildeten sich fremdenfeindliche und antisemitische Bewegungen innerhalb der Bevölkerung. Aber auch der Katholizismus und die Sozialdemokraten wurden als Feindbild wahrgenommen. Dieser Reichsnationalismus spiegelte sich auch im Stadtbild wider. Es wurden zahlreiche Kriegerdenkmäler und Kaiserstatuen errichtet, die häufig von Kriegervereinen und dem Deutschen Flottenverein finanziert wurden. Neben diesen Kriegervereinen und dem Deutschen Flottenverein gab es zahlreiche weitere Vereine (Turn-, Schützen- und Sängervereine), die dem Nationalismus zur Verankerung in der Bevölkerung verhalfen. Neben der Verfestigung im Stadtbild durch Denkmäler und Statuen wurde der Nationalismus auch durch die zahlreichen Feiern sichtbar, beispielsweise den Feiern zum Geburtstag des Kaisers und zu dem Sedanstag.
- Der Begriff der „Deutsch-französischen Erbfeindschaft“ beschreibt auf eine propagandistische Art die Ursache der vielen Konflikte zwischen den beiden Ländern als eine Ursache, die auf Vererbung beruhe und deshalb nicht mit friedlichen Mitteln behoben werden könne. Diese Theorie der Erbfeindschaft hatte auch Auswirkungen auf den Nationalismus. Der bei den Befreiungskriegen aufkommende Nationalismus war auch durch die wachsende Unzufriedenheit über die französische Fremdherrschaft begründet. Es gab also Tendenzen, nicht nur einen einheitlichen deutschen Staat zu fordern, sondern gleichzeitig den Nationalismus für die Abgrenzung von Frankreich zu nutzen. Diese Tendenzen waren aber zunächst nicht so bedeutend, dass die Auswirkungen auf die Politik hatten. Stattdessen rückten die europäischen Machthaber durch das gemeinsame Ziel, die Monarchie zu erhalten, näher zusammen. Im Jahr 1840, während der Rheinkrise, vermischte sich dann ein weiteres Mal die deutsche Einheits- und Freiheitsbewegung mit der Abneigung gegen Frankreich und dessen Einwohner. Es entstanden zahlreiche Lieder zu dieser Zeit, die die deutsche Einheit beschworen, aber zum Teil auch Frankreich abwerteten. Auch das „Deutschlandlied“ von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben entstand 1841 vor diesem Hintergrund. Bei der Auseinandersetzung mit Frankreich 1870/71 konnte sich Otto von Bismarck, der diese Auseinandersetzung bewusst provozierte, auf die Unterstützung der Konservativen verlassen, denn diese sahen Frankreich als „Erbfeind“ an. Dieser Umstand verhalf ihm zu einem raschen Sieg und er konnte die Reichsgründung durchsetzen. Es verfestigte sich die für den Wilhelmismus typische Einstellung der ideellen Abwertung alles „Undeutschen“ und die Feindschaft zwischen Frankreich und dem Kaiserreich verstärkte sich durch die geforderte Abtretung Elsaß-Lothringens an das Deutsche Reich. Der Höhepunkt der „Erbfeindschaft“ zur Zeit des Kaiserreichs findet sich schließlich im Ersten Weltkrieg, bei dem der übertriebene Nationalismus der Kriegsgegner gepaart mit der ideellen Abwertung der Anderen seinen Teil zum Ausbruch beigetragen hat.
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