Massendefekt von Kernen
Wir gelangen nun zu einem Thema, das uns die ungeheuren im Kern verborgenen Energien offenbaren wird.
Beispiel
Als Beispiel betrachten wir einen Heliumkern $^4_2 He$.
Man weiss, dass dieser Heliumkern aus 4 Nukleonen (2 Protonen und 2 Neutronen) aufgebaut ist. Die Massen $m_p$ (Masse des Protons) sowie $m_n$ (Masse des Neutrons) sind bekannt.
Was würde man nun beobachten, wenn man die Masse $m_K$ des vollständigen Heliumkerns bestimmt und mit der Summe aus den Massen der Bausteine vergleicht?
Antwort/Beobachtung:
Die Masse $m_K$ des eigentlichen Kerns ist (tatsächlich) geringer als die Summe der Massen seiner Bausteine. Man spricht vom Massendefekt.
Die obige Beobachtung ist in gewisser Sicht erstaunlich und führt uns automatisch zu den folgenden Fragen:
- Lässt sich der obige Massendefekt auch bei anderen (stabilen) Kernen beobachten?
- Wodurch kommt der Massendefekt zustande?
Die erste Frage lässt sich mit einem klaren Ja beantworten. Dass dies auch auf andere Kerne zutrifft, lässt sich mit der Ursache für den Massendefekt verstehen.
Merke
Die folgende Differenz wird als Massendefekt $\Delta m$ bezeichnet
$\Delta m=(Z\cdot m_p+N\cdot m_n)-m_K$
$m_p$: Masse des Protons $Z$: Anzahl der Protonen
$m_n$: Masse des Neutrons $N$: Anzahl der Neutronen
$m_K$: Masse des Kerns
Die Masse des Kerns ist geringer als die Summe der Massen seiner Nukleonen.
Erklärung des Massendefekts $\Delta m$
Wie kann sich nun diesen Massendefekt bzw. Massenverlust erklären?
Zerlegung eines Kerns in freie Nukleonen:
Zwischen den Nukleonen eines Kerns wirken stark anziehende Kernkräfte. Und um nun den Kern in seine Nukleonen zu spalten, muss man eine entsprechende Energie aufbringen. Man bezeichnet sie als Bindungsenergie $E_B$ des Kerns.
Aufbau eines Kerns aus freien Nukleonen:
Will man einen Kern umgekehrt aus seinen Nukleonen aufbauen, so wird beim Zusammenfügen die gleiche Energie $E_B$ freigesetzt.
Äquivalenz von Masse und Energie
Die freigesetzte Bindungsenergie $E_B$ ist relativistisch zu einem Massenverlust äquivalent. D.h. :
Summe der Massen der Nukleonen - Massenverlust (äquivalent zur Bindungsenergie)=Kernmasse
oder in Formeln
Methode
$(Z\cdot m_p+N\cdot m_n)-$ Massenverlust (äquivalent zur Bindungsenergie)$=m_K$
Vergleich mit der Formel für den Massendefekt:
$(Z\cdot m_p+N\cdot m_n)-\Delta m=m_K$
$\Rightarrow$ Massenverlust (äquivalent zur Bindungsenergie)=$\Delta m$
Der Massenverlust ist also der Massendefekt $\Delta m$.
Mit Hilfe der Einsteinschen Formel ($E=m\cdot c^2$) bekommt man in diesem speziellen Fall:
Merke
Der Massendefekt $\Delta m$ hat seine Ursache in der Bindungsenergie $E_B$, die den Kern zusammenhält. Beide sind zueinander äquivalent; d.h.
$E_B=\Delta m\cdot c^2$
Rechenbeispiel
Beispiel
Heliumkern
$m_K=4,003 u=6,647\cdot 10^{-27} kg$
$m_p=1,673\cdot 10^{-27} kg$
$m_n=1,675\cdot 10^{-27} kg$
$\Rightarrow \Delta m=2(1,673\cdot 10^{-27} kg+1,675\cdot 10^{-27} kg)-6,647\cdot 10^{-27} kg=0,049\cdot 10^{-27} kg$
$\Rightarrow E_B=0,049\cdot 10^{-27} kg \cdot (3\cdot 10^8 m/s)^2=4,41\cdot 10^{-12} J$
Die übliche Energieeinheit in der Kernphysik ist das Elektronvolt ($1 eV=1,602\cdot 10^{-19} J$)
$E_B\approx 27,5\cdot 10^6 eV=27,5 MeV$
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